Der zweite Jahrestag des Erdbebens vom 25. April 2015. Unwillkürlich denkt man zurück an die erste Nachricht, daran, wie langsam klar wurde, wie viele unserer Projektdörfer schwer getroffen waren, an die Sorge um Freunde und PHASE-Mitarbeiter*innen, an die Erleichterung, als die Entwarnung kam - keine*r von unseren Mitarbeiter*innen war getötet worden -, die hektische Aktivität der folgenden Tage und Wochen, den Schock des zweiten schweren Bebens am 12. Mai ... Einen Eindruck davon bietet unser Erdbebentagebuch über die ersten drei Wochen nach dem Erdbeben. Die Bilanz der Beben ist bekannt: offiziell mehr als 8.790 Tote, etwa 22.500 Verletzte, insgesamt 8 Millionen Betroffene, ungefähr 800.000 zerstörte Häuser, zirka 7.000 Schulen völlig zerstört oder schwer beschädigt, Krankenhäuser, Gesundheitsposten, Kulturstätten, Straßen und Wege in den 14 Krisenbezirken - die Liste ließe sich beinahe unbegrenzt fortsetzen.
Für PHASE Austria war sofort klar, dass wir Gelder für Katastrophenhilfe und Wiederaufbau freigeben; auch unsere Spendenaufrufe hatten einen für unsere kleine Organisation beachtlichen Erfolg: allein in den ersten Wochen nach dem ersten Beben gingen zweckgewidmete Spenden in Höhe von 63.000 Euro ein, über das ganze Jahr waren es mehr als 100.000 Euro. Rasch verschwand Nepal jedoch wieder aus den internationalen Nachrichten; schon die Blockade der Grenze zu Indien im Winter 2015/16, die die Arbeit der Hilfsorganisationen beträchtlich erschwerte, wurde in europäischen Medien kaum oder gar nicht thematisiert.
Über die Aktivitäten in Nepal haben wir in den letzten beiden Jahren regelmäßig berichtet. Zunächst stand die direkte Katastrophenhilfe im Vordergrund: Decken, Planen, Reis, Verbandsmaterial und diverse Medikamente ..., im Lauf der Monate rückte dann immmer mehr die Bereitstellung von festeren Unterkünften (Wellblech) für Monsun und Winter ins Zentrum, sehr bald ging es auch um die Frage, wie der Wiederaufbau einzuleiten ist. PHASE Nepal konzentriert sich auf Schulen, Gesundheitsposten, Hygieneprojekte (Toilettenbau) und Trinkwasserversorgung. In diesem Zusammenhang ist die unschätzbare Unterstützung großer NGOs, etwa Caritas Österreich und Deutschland und Diakonie Katastrophenhilfe, zu nennen, die durch die rasche Zusage von Mitteln an PHASE Nepal viele Projekte möglich machten.
Die Erdbeben - im ersten Jahr gab es beinahe tägliche (!) Nachbeben, mehrere hundert davon in einer Stärke über Richter 4.0, also sehr deutlich spürbar - und ihre Folgen prägen nach wie vor das Leben der Menschen in Nepal; die Behebung der physischen Folgen wird noch Jahre brauchen, von den erlittenen Traumata gar nicht zu sprechen. Auch gestern gab es in Sindhupalchok - einem der Bezirke, in denen PHASE seit Langem Projekte betreibt - wieder ein Erdbeben der Stärke 4.2.
Auch wenn noch unendlich viel zu tun ist, können wir mit einem gewissen Stolz auf die letzten beiden Jahre zurückblicken: PHASE Nepal ist es durch den enormen Einsatz der Mitarbeiter*innen gelungen, nicht nur vom ersten Moment an in unseren bestehenden Projektdörfern zu helfen, sondern sogar seine Aktivitäten auszuweiten. Die Entwicklung des Personalstandes spricht eine deutliche Sprache: Vor den Beben hatte PHASE Nepal zuletzt ca. 75 Mitarbeiter*innen, heute sind es mehr als 150! Diese Expansion unter schwierigsten Bedingungen war für die Organisation natürlich auch mit großen Belastungen verbunden. Das Management-Team ist kaum gewachsen, obwohl sich Projekte und Spenderorganisationen vervielfacht haben. Durch sanfte Umstrukturierung, vor allem aber durch das Engagement aller Beteiligten, konnte diese Herausforderung jedoch gemeistert werden.
Ein schwerer Schlag für PHASE war letztes Jahr der Tod von Nisha Tamang im August, die bei einem Helikopterabsturz ums Leben kam, als sie eine Patientin und ihr Neugeborenes aus Gorkha zur Behandlung ins Krankenhaus nach Kathmandu begleitete. Nur wenige Wochen später starb eine ehemalige PHASE-Mitarbeiterin in derselben Region in einem Erdrutsch. Diese beiden jungen Frauen setzten sich unter schwierigsten Bedingungen für die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in entlegenen Dörfern in Nepal ein; ihr Tod hält uns die enorme Einsatzbereitschaft der PHASE-Mitarbeiter*innen vor Augen! |
Nicht nur durch die sofortige Zusage von Mitteln konnte PHASE Austria helfen: Der Wiederaufbau der Schule in Hile (Rawadolu, Bezirk Okhaldunga) sowie die materielle Unterstützung von vier Schulen in Rawadolu, der Gemeinde, in der Hile liegt, konnte neben unserem Beitrag zum Katastrophenhilfe- und Wiederaufbaufonds von PHASE Nepal finanziert werden.
Daneben gingen die Kernprojekte von PHASE nicht nur unvermindert weiter, sondern wurden ebenfalls deutlich ausgebaut: Bereitstellung von Gesundheitsversorgung und Bildungschancen sowie Armutsbekämpfung und Unterstützung zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Erträge in entlegenen Dörfern Nepals.
PHASE Austria konnte in den vergangenen Jahren in einem der Hauptzielgebiete von PHASE im Westen Nepals mehrere Projekte ermöglichen - der zwar von den Erdbeben nicht betroffen war, dennoch aber die ärmste und benachteiligtste Region von Nepal ist (40-50% der Kinder in dieser Region sind unterernährt!): Lehrer*innenfortbildung in Bajura, Schulzugang für benachteiligte Kinder in Humla, und ein Empowermentprojekt für Mädchen ebenfalls in Bajura (alle mit freundlicher Unterstützung der Stadt Wien). In dieser Region ist nun auch die ADA (Austrian Development Agency) ein Partner von PHASE Nepal und finanziert eine dreijährige Intervention im Bezirk Mugu.
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